Am 17. Juni 2021 trat das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt, kurz: das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft. Es umfasst Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz, im Kündigungsschutzgesetz, im Sprecherausschuss-gesetz, in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung und Änderungen im Siebten Sozialgesetzbuch.
Es beinhaltet keine völligen Überarbeitungen des Betriebsverfassungsgesetzes, aber an einigen Punkten haben sich doch deutliche Veränderungen ergeben. Um einen schnellen Überblick über die Änderungen bzw. die Ergänzungen zu ermöglichen, wird im Folgenden eine leicht lesbare Textform verwendet. Bei rechtlichen Fragestellungen muss jedoch unbedingt der Gesetzestext im Original herangezogen werden. Bei allen hier vorgestellten Änderungen ist jeweils ein Hinweis enthalten, ob es sich um Ergänzungen oder Neufassungen im Gesetzestext handelt. Wenn lediglich Zahlen ausgetauscht wurden, sind diese fett gedruckt.
Künftig sind alle Arbeitnehmer:innen eines Betriebs bei der Betriebswahl wahlberechtigt, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. (Änderung, § 7)
Alle Arbeitnehmer:innen eines Betriebes, die seit sechs Monate einem Betrieb angehören und das 18. Lebensjahr vollendet haben, können sich zur Wahl als Betriebsrat stellen. (Änderung, § 8)
Wer sich zur Wahl als Betriebsrat stellt, benötigt grundsätzlich Unterstützer. Wahlvorschläge brauchen in Betrieben mit in der Regel bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer:innen nicht unterzeichnet werden. Aber in Betrieben mit in der Regel 21 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmer:innen ist es erforderlich, dass mindestens zwei wahlberechtigte Arbeitnehmer:innen, die Kandidatinnen und Kandidaten schriftlich unterstützen. In Betrieben mit mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmer:innen muss die Kandidatur von mindestens einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer.innen befürwortet werden. Auf jeden Fall reicht aber die Unterzeichnung von 50 wahlberechtigten Arbeitnehmer.innen aus. (Neufassung §14, Absatz 4)
In Betrieben mit in der Regel fünf bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmer:innen erfolgt die Betriebsratswahl in einem zweistufigen Wahlverfahren. Zweistufig, weil in Betrieben ohne Betriebsrat zunächst in einer Betriebsversammlung ein Wahlvorstand gewählt werden muss. Nach dem der Wahlvorstand gewählt ist, muss eine Woche später die Wahl der Betriebsräte stattfinden.
In Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 Arbeitnehmer:innen können der Wahlvorstand und der Arbeitgeber vereinbaren, dass das vereinfacht Wahlverfahren angewendet wird. (Änderung § 14a Absätze 1 und 5).
Wahlberechtigte können künftig eine Wahl nicht mehr anfechten, weil sie die Wählerliste für unrichtig halten, wenn sie nicht vorher schon Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt haben. Das gilt aber nicht, wenn sie daran gehindert wurden Einspruch einzulegen.
Die Anfechtung durch den Arbeitgeber:in ist ausgeschlossen, wenn nur er/sie Unrichtigkeiten in der Wählerliste anführt und dies nur auf seinen/ihren Angaben beruht. (Ergänzung § 19 neuer Absatz 3)
§ 30 enthält die Regelungen zu den Sitzungen der Betriebsräte. Da der Paragraf umfänglich überarbeitet wurde, wird dieser im Folgenden inhaltlich vollständig wiedergegeben.
Beschlüsse des Betriebsrates, werden soweit nichts anderes bestimmt ist, von der Mehrheit der anwesenden Betriebsratsmitglieder gefasst. Mitglieder des Betriebsrates, die über eine Video- oder Telefonkonferenz teilnehmen, gelten als anwesend und haben daher volles Stimmrecht (Ergänzung § 33 Absatz 1, Satz 1).
Wenn ein Mitglied des Betriebsrats über Video- oder Telefonkonferenz an der Sitzung des Betriebsrats teilnimmt, muss das Mitglied schriftlich die Teilnahme dem Vorsitzenden bestätigen. Diese Bestätigung wird dem Sitzungsprotokoll beigefügt. (Ergänzung § 34 Absatz 1)
Wenn Mitglieder des Gesamtbetriebsrats an einer Sitzung über Video- oder Telefonkonferenz teilnehmen, ist das als Anwesenheit zu werten. (Ergänzung § 51 Absatz 3 Satz 1)
In Betrieben mit mindesten fünf Arbeitnehmer:innen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder Arbeitnehmer:innen, die in der Berufsausbildung sind, werden jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Die bisherige Altersgrenze von 25 Jahren entfällt. (§ 60, Absatz 1, Streichung)
Zum/r Jugend- und Ausbildungsvertreter:in können Arbeitnehmer:innen gewählt werden, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben oder in der Berufsausbildung sind. ( § 61 Absatz 2, Ergänzung).
In Betrieben mit in der Regel fünf bis 100 Arbeitnehmer:innen, die das 18. Lebensjahr nicht vollendet haben oder in der Berufsausbildung sind gilt auch das vereinfachte Wahlverfahren, wie es im § 14 a beschrieben wird. In Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 Arbeitnehmer:innen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder in der Berufsausbildung sind, können der Wahlvorstand und der/die Arbeitgeber:in die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren. (§ 63 Absätze 4 und 5)
Auch wenn ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung während der Amtszeit das 25. Lebensjahr oder die Berufsausbildung vollendet, bleibt es bis zum Ende der Amtszeit Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. (§ 64 Absatz 3, Ergänzung)
Die schriftlichen Beschlüsse der Einigungsstelle müssen vom Vorsitzenden unterschrieben werden. Die Beschlüsse können auch elektronisch (per E Mail) erfasst werden und vom Vorsitzenden mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur unterzeichnet werden. (§ 76 Absatz 3, Ergänzung)
(Anmerkung: Eine qualifizierte elektronische Signatur ist eine elektronische Unterschrift, die ein Zertifikat ("öffentlicher Schlüssel") von einem Zertifizierungsdienst verwendet, der bestimmten Sicherheitsanforderungen des deutschen Signaturgesetzes entspricht.)
Betriebsvereinbarungen können künftig auch per E Mail (elektronisch) beschlossen werden. Dabei müssen Arbeitgeber:in und Betriebsrat dasselbe Dokument elektronisch signieren. (§ 77, Absatz 2, Ergänzung)
Der Betriebsrat muss bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften des Datenschutzes einhalten. Wenn der Betriebsrat, um seine Aufgaben zu erfüllen personenbezogene Daten verarbeitet, liegt die Verantwortung nach dem Datenschutz beim/bei der Arbeitgeber:in. Arbeitgeber:in und Betriebsrat unterstützen sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Die oder der Datenschutzbeauftragte ist gegenüber dem/der Arbeitgeber:in zur Verschwiegenheit über Informationen verpflichtet, die Einblick in den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrates geben könnten. Umgekehrt gilt dies auch bei Angelegenheiten des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin. (§ 79 a, neuer Paragraf)
Wenn der Betriebsrat die Einführung oder Anwendung künstlicher Intelligenz beurteilen muss, kann er einen Sachverständigen hinzuziehen, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist. Auch können sich Betriebsrat und Arbeitger:in auf einen ständigen Sachverständigen einigen. (§ 80 Absatz 3, Ergänzung)
Künftig hat der Betriebsrat auch Mitbestimmungsrecht, wenn es um die Ausgestaltung von mobiler Arbeit mittels Informations- und Kommunikationstechnik geht, dem sogenannten Homeoffice. (§ 87, Absatz 1, Ergänzung).
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig über Planung und unter Vorlage der notwendigen Unterlagen über Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe einschließlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz unterrichten. ( § 90 Absatz 1, Punkt 3, Ergänzung)
Richtlinien über die Personalauswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen muss der Betriebsrat zustimmen. In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten kann der Betriebsrat verlangen, dass die Richtlinien um fachliche und/oder persönliche Voraussetzungen und soziale Gesichtspunkte ergänzt werden. Das gilt künftig auch, wenn zur Aufstellung der Richtlinien künstliche Intelligenz eingesetzt wird. (§ 95, Absatz 2a, Ergänzung)
Betriebsrat und Arbeitgeber:in können, wenn es der Betriebsrat verlangt, zu Fragen der Berufsbildung der Beschäftigten beraten. Können sie sich nicht auf geeignete Maßnahmen einigen, kann die Einigungsstelle angerufen werden. (§ 96, Absatz 1a, Ergänzung)
Für eine außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wahlvorstandes, Wahlbewerber:innen und weiteren Beschäftigtenvertreter:innen ist eine Zustimmung des Betriebsrats erforderlich.
Wenn der Betriebsrat nicht zustimmt, kann das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin entscheiden, ob die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. Das gilt auch, wenn ein Betrieb noch keinen Betriebsrat hat und beispielsweise eine Wahlbewerber:in von außerordentlicher Kündigung bedroht wird. (§ 103, Absatz 2 a, Ergänzung)
Beschließen Betriebsrat und Arbeitgeber über E-Mail ein Interessenausgleich zu einer geplanten Betriebsänderung so muss diese Mail von beiden elektronisch signiert werden. (§122 Absatz 1, Satz 1, Ergänzung)
Arbeitnehmer:innen, die entsprechend des Betriebsverfassungsgesetzes zu einer Betriebsversammlung einladen oder die Einrichtung eines Wahlvorstandes beantragen, darf vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht gekündigt werden. Dies gilt aber nicht, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber:in zur sofortigen Kündigung ohne Frist berechtigen.
Der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung zur Betriebsversammlung oder die ersten drei im Antrag auf Einrichtung eines Wahlvorstands genannten Arbeitnehmer:innen. (§15, Absatz 3, Änderung).
Arbeitnehmer:innen darf nicht gekündigt werden, wenn sie die Gründung eines Betriebsrats vorbereiten und dazu eine öffentliche beglaubigte Erklärung abgegeben haben. Auch hier gilt die Ausnahme, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zu einer sofortigen Kündigung ohne Einhaltung von Fristen berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung, längstens jedoch für drei Monate. (§ 15, Absatz 3b, neu)
(Anmerkung: § 129 Bürgerliches Gesetzbuch: (1) Ist durch Gesetz für eine Erklärung öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muss die Erklärung schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden.)